Fachverband
Mineralwolleindustrie e.V.

„Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit müssen zusammengedacht werden, wenn wir die Energiewende erfolgreich gestalten wollen“

Michael Groß, SPD, MdB. Bundestagsabgeordneter, Abgeordneter

Michael Groß, SPD, MdB. Bundestagsabgeordneter, Abgeordneter
©
Bildnachweis

Michael Groß

Michael Groß, SPD, MdB. Bundestagsabgeordneter, Abgeordneter

Das energiepolitische Ziel der Bundesregierung ist, bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Aktuellen Schätzungen zufolge liegt die derzeitige Sanierungsquote aber unter 1 Prozent. Mit welchen politischen Maßnahmen wollen Sie das Ziel 2050 noch rechtzeitig erfolgreich umsetzen?

Die ambitionierten nationalen und europäischen Klimaschutzziele können nur erreicht werden, wenn das umwelt- und klimafreundliche Bauen, die energetische Quartiers- und Stadtentwicklung sowie die Energieeffizienz im Gebäudebereich ineinandergreifen und sinnvoll kombiniert werden. Wichtig sind dabei dezentrale Lösungen, die quartiersbezogene Entwicklungen stärken. Denn zurzeit wird die nötige Sanierungsquote trotz der Bereitstellung eines Fördervolumens in hohen einstelligen Milliardenbeträgen für die Umsetzung der Klimaschutzziele nicht erreicht. Die zentrale Frage ist somit, wie bezahlbares Wohnen unter Erreichung der umweltpolitischen Ziele sichergestellt werden kann.

Aus meiner Sicht muss der Fokus verstärkt auf das Quartier statt aufs Einzelgebäude gelegt werden. Wie kann ich im Quartier dezentrale Lösungen angepasst für den jeweiligen Geldbeutel der Bewohner schaffen, für Energiegewinnung, -speicherung und effizienten Energieeinsatz? Die Förderpolitik muss darauf ausgerichtet werden, dass mit hoher sozialer Akzeptanz, möglichst viel CO2 eingespart wird. Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit müssen zusammengedacht werden, wenn wir die Energiewende erfolgreich gestalten wollen.

Energetische Sanierungsfahrpläne sind ein sinnvolles Beratungsinstrument für Gebäudeeigentümer und können helfen, das Klimaziel 2050 zu erreichen. Wie stehen Sie zu dem „Individuellen Sanierungsfahrplan“ (iSFP), den die dena im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie entwickelt hat? Sind diese eventuell eine sinnvolle Ergänzung der ordnungsrechtlichen und förderpolitischen Maßnahmen in der Bundesrepublik und sollten z.B. ab 2030 verpflichtend eingeführt werden?

Energetische Sanierungsfahrpläne sind natürlich ein sinnvolles Beratungsinstrument für Gebäudeeigentümer, dennoch würde ich diese, wie oben angeführt, in kommunale und quartiersangebundene Konzepte einbetten. Innovation City Bottrop ist eines der Best-Practice Beispiele aus dem Ruhrpott dazu. Die Bewohner des Quartiers wurden angesprochen, beraten, aktiviert und motiviert und es wurden passgenau zum Geldbeutel des Einzelnen eine Gesamtstrategie für das Stadtgebiet entwickelt.

Ein anderes positives Beispiel ist der Brühl in Chemnitz. Hier wurde die alte Stadtmitte städtebaulich und energetisch erneuert. Wenn jeder Einzelne lediglich seine Heizung am Wohnhaus bezogen aufs Einzelobjekt saniert hätte, wäre vor Ort nicht umgesetzt worden, was im Quartierskonzept mit großflächiger Solarthermie und einem Niedertemperatur-Fernwärmenetz möglich wurde.

Der Bedarf an Wohnungen ist vor allem in den Ballungsgebieten enorm: 400.000 neue Wohnungen müssten in dieser und der nächsten Legislatur jedes Jahr entstehen. Der Neubau bleibt allerdings weit dahinter zurück. Welche Maßnahmen befürworten Sie, damit mehr hochwertige neue Wohnungen gebaut werden können?

Die Verdreifachung der Mittel der sozialen Wohnraumförderung ist zurecht, neben der Erhöhung der Mittel für die Städtebauförderprogramme, eine der erfolgreich umgesetzten Forderungen der SPD-Bundestagsfraktion. Nur so können auch bezahlbare Wohnungen angeboten werden, denn diese fehlen gerade in den Großstädten und Ballungsräumen. Hier ist es wichtig, dass der Bund mit den Ländern und Kommunen auch über 2019 hinaus gemeinsam in der Verantwortung bleibt.

Es gilt außerdem die Kommunen in einer nachhaltigen Bodenpolitik zu stärken. Die Bodenpreise steigen in den Städten mit erhöhtem Wohnungsbedarf enorm an und verteuern das Wohnen. Boden darf kein Spekulationsobjekt werden. Gleichzeitig gilt es aber auch, die Mittelzentren in den Regionen zu stärken. Viele Menschen möchten gerne auf dem Land wohnen, wenn sie unabhängig in ihrer Entscheidung wären (Studie Baukulturbericht 2016/17). Oft fehlt in den im weiteren Sinne angrenzenden Regionen an Ballungszentren die soziale, digitale und verkehrliche Infrastruktur und kulturelles Leben, um einen Grundstock an Lebensqualität zu geben. Mit den Fördermitteln der Städtebauförderung wird hier bereits gezielt die Stärkung von ländlichen Orten und auch Ortszentren für eine Umgestaltung unterstützt. Hier müssen wir noch verstärkt für mehr Attraktivität sorgen.

In Deutschland ist der Bau von mehr als 1 Million Wohnungen durch Aufstockung möglich. Das hat die Studie „Wohnraumpotentiale durch Aufstockungen“ der TU Darmstadt und des Pestel Instituts ergeben. Dadurch könnte hochwertiger, moderner Wohnraum in Ballungszentren ohne zusätzlichen Flächenverbrauch wirtschaftlich erstellt werden. Allerdings verhindert eine Vielzahl an rechtlichen Hemmnissen, dass das Potential ausgeschöpft wird. Wie stehen Sie zum planvollen Aufstocken von Gebäuden?

Sinnvolle und gut gestaltete Gebäudeaufstockung ist sicherlich ein gutes Mittel für die Erschließung von Wohnpotentialen in Ballungszentren. Natürlich sind auch hier Grenzen gesetzt und nicht jeder Bewohner eines Obergeschosses wird erfreut sein, wenn er noch jemanden aufs „Dach“ gesetzt bekommt. Dies sind Überlegungen, die dem Vermieter, aber auch den Kommunen sehr bewusst und auch zu bedenken sind. Allein mit Aufstockung werden wir sicherlich auch nicht alles an Wohnungsproblemen lösen können, aber es ist ein wichtiger Baustein im Gesamtkonzept für mehr bezahlbaren Wohnraum.

Teilen Sie uns auf +